Dranmor
»Es zischt und schmatzt und löst sich auf. Erst in Phasen und seltenen Farben, dann verzieht sich ein Teil nun schwefelnder Lache fluchend wieder nach oben durch den Wandbruch, dorthin, wo er wohl herkam. Für den Kopf des dampfenden Wesens ist es zu spät. Er zerfällt unter lautem Getöse zu Staub und fliesst aufgescheucht durch den Ausguss ab. Zurück bleiben ein paar einzelne Seiten. Nach Verzug des Rauches sind bald Wörter und ganze Sätze darauf erkennbar. Sätze einer Handschrift. Man reibt sich die Augen. Da ist eine Abschrift aus dem Vorwort zur dritten Auflage der Gesammelten Dichtungen.« (Klappentext)
Die historische Person Ferdinand Schmid alias Dranmor (1823–1888) ist ein längst vergessener Schweizer/Berner Dichter und Diplomat, der und dessen Werk in diesem Fragment-Roman als Bearbeitungsoberfläche des Ich-Erzählers dient. In der Sekundärliteratur wird Dranmor als »Mann des Übergangs« oder auch als »seltsamer Mann« beschrieben, getrieben von einer großen Lust auf Literatur und fernen Zielen. Geboren in Bern, lebte er einige Zeit in Österreich in k.u.k.-Diensten, um dann im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts nach Brasilien zu reisen, dort Österreich zu vertreten und sich engagiert um die Kolonialisierung bestimmter Landstriche Brasiliens zu bemühen. Seine Bemühungen scheiterten. Er reiste wieder nach Bern zurück, wo er unter mysteriösen Umständen starb.
Im Zentrum der Erzählung, die sich in der Gegenwart situiert, steht ein Ich-Erzähler, der Dranmor auf der Spur ist bzw. diesen »ausgraben« will. Die Wahrnehmungen des Erzählers, der sich immer mehr in Vergangenheiten verstrickt und diese klittert, seine Aufzeichnungen, Exzerpierungen, Reflexionen und sein kontinuierlicher Zerfall, der auch mit Dranmors Vita parallel geführt wird, machen diesen Text auch zum Erzählexperiment. Zentrale Motive des Textes sind: das Schreiben und Zur-Sprache-Finden des Erzählers, die Bedeutung von Literatur an sich und die Identifikation mit Vorgängern sowie am Rande: Heimat/Fremde/Exilierung.
Dieser Titel aus dem ATHENA Verlag ist im Buchhandel, beim Verlag und im Shop erhältlich.
1. Auflage 2012, 168 Seiten, Format 20 x 12 cm
ISBN 978-3-89896-491-3, Broschur, 14,90 €, 21,00 sFr
In der ATHENA-Reihe edition exemplum erschien von Hartmut Abendschein auch ”Die Träume meiner Frau”
Lesungen: 17. august 12, bern, “neue berner prosa”, buchvernissage in der “bar 14b” (falkenplatz 14b) // 14. september 12, köln, “Es ist fast gar keine stimmung vorhanden”. lesung zus. mit stan lafleur, kunstraum dellbrück // 27. oktober 12, zürich, 14h, “neue berner prosa” im cabaret voltaire (zürich liest) // 10. november 12, literaturfestival basel, “litblogs.net, rheinsein, taberna kritika” zus. mit stan lafleur …
“Wir sind flexibel” (Zu Hartmut Abenscheins: DRANMOR) in: Gleisbauarbeiten, 11.5.2013
”Dranmor wird zu einer Inszenierung der Diskrepanz zwischen Sprache und Wirklichkeit, der Unmöglichkeit, von Leben und Identität zu erzählen.” in: Stuttgarter Nachrichten, 04.01.2013
Abendschein schreibt zwar keine Autobiographie. Aber er sucht über die Form eine Nähe zur sich mehr in Auflösung befindlichen, in eine Zwischenwelt abdriftenden Persönlichkeit. in: Begleitschreiben, 25.8.2012
Wo ist bloß dieser Text abgelegt? Kunstvoll erzählt Hartmut Abendscheins »Dranmor« vom Schriftstellerwahnsinn. in: junge Welt, 20.10.2012 sowie in den Kulturnotizen, 08.12.2012
Peggy Neidel über Dranmor. in: Poetenladen, 02.11.2012
„Hätte man nur jemand anderen angefasst und ausgegraben“. in: literaturkritik.de, 07.11.2012
Dranmor Passagen im SALON LITTÉRAIRE / (Part 02) in: in|ad|ae|qu|at, 25.11.2012
“Zur Entstehung” in: taberna kritika
“Verführerisch” in: Die Dschungel. Anderswelt.